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T-Rex «Trinity»: So verlief die Versteigerung

Cyril Koller, CEO auction house Koller, gestures next to the head of the skeleton of a Tyrannosaurus rex named Trinity, during an auction of the auction house Koller in Zurich, Switzerland on Tuesday, ...
Cyril Koller in seinem Element: Der Auktionator leitete die T-Rex-Versteigerung.Bild: KEYSTONE

Wie das wirklich läuft an einer T-Rex-Versteigerung

Am Dienstag wurde in Zürich zum ersten Mal in Europa ein T-Rex versteigert – wer dabei war, wer wie viel bot und wer den Dinosaurier am Ende für 4,8 Millionen ersteigerte. Und was sonst noch passierte.
19.04.2023, 08:1820.04.2023, 09:30
Elena Lynch
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Der Hype war gross. 35'000 Personen haben sich den 3,9 Meter hohen und 11,4 Meter langen Tyrannosaurus Rex angeschaut. Während drei Wochen war sein Skelett in der Tonhalle in Zürich ausgestellt.

Am Dienstag kam er im Verkaufssaal des Zürcher Auktionshauses Koller in der Hardturmstrasse unter den Hammer.

Eine Dokumentation in 15 Punkten.

Der Alleinunterhalter

Cyril Koller leitet seit den 1990er-Jahren Versteigerungen. Er ist der Auktionator – und an dieser Auktion Alleinunterhalter. Während der knapp zwei Stunden hält er die Anwesenden mit Sprüchen bei Laune. Nach einer halben Stunde sagt er: «Meine Tochter hat mich soeben gefragt, ob ich ein Red Bull möchte. Schlaf ich ein?!»

Er lehnt ab. Weiter geht es!

Bei Objekt Nummer 952, einem reproduzierten Apollo-13-Helm, signiert vom Kommandanten Jim Lovell, sagt Koller: «Meine Familie wird immer wütend, wenn ich frage, ob wir wieder den Film ‹Apollo 13› schauen. So eine verrückte Mission!» Als niemand bietet, sagt er: «Ja, muss ich den jetzt selber kaufen?»

Die Werbung

An normalen Tagen versteigert das Auktionshaus Koller Möbel, Geschirr und Kunst und erreicht damit immer eine klassische Klientel. Am Dienstag ausnahmsweise allerlei aus dem All, Filmrequisiten und Fossilien. Das spricht ein anderes Publikum an – besonders der T-Rex, der spätestens seit dem Film «Jurassic Park» zur Popkultur zählt. Dank ihm kennen nun auch Auktionsbanausen den Namen Koller im Kunstgeschäft.

Der Saal

Bevor er die Versteigerung beginnt, sagt Koller: «Das ist ein schöner Auktionssaal.» Jeder Platz ist besetzt mit Bietenden, aber auch – in den hinteren Reihen – mit Medienschaffenden. Bis zu 40 Journalistinnen und Journalisten waren an der Auktion anwesend. Und Bietende befanden sich an die 100 im Saal und weitere 50 am Telefon. Dieser Andrang ist aussergewöhnlich.

Die Bieternummern

Bevor er durch den Saal zeigt, hohe Summen nennt und von 1 auf 2 auf 3 zählt, sagt Koller: «Wenn ihr bietet, dann bitte mit den gelben Zetteln. You understand me?» Die Bietenden sollen also nicht unmerklich mit dem Kopf nicken oder den Finger heben, wie man es aus Filmen kennt, sondern nur die laminierten Bieternummern hochhalten.

Und trotzdem: Als Schaulustige traut man sich fast nicht, das Handy in die Höhe zu halten, aus Angst, die Geste könnte als Gebot gedeutet werden, sodass man plötzlich auf einem Stück Mond für 22'000 Franken sitzt und lebenslänglich verschuldet ist.

Video: watson/sal

Die Bietenden

Die Anwesenden wollen anonym bleiben, weswegen man sie nur von hinten filmen oder fotografieren darf – doch beschreiben darf man sie: Die Bietenden sind mehrheitlich Männer mittleren Alters – several shades of grey.

Manche tragen ein Foulard, andere eine Schirmmütze, Kapuzenpulli und Sakko. Einer trägt eine dunkelblaue Daunenweste mit White-Turf-Aufschrift, einem Pferderennen in St.Moritz, und eine Schirmmütze von Ralph Lauren.

Was die Männer gemeinsam haben: Sie haben saubere Schuhe und gepflegte Frisuren, heisst ihre Nacken sind sauber ausrasiert und ihr Schnitt nicht rausgewachsen.

Zwei aber fallen aus der Reihe: Der eine hat in seinen Geheimratsecken Tattoos und im Rest des Gesichts Piercings und der andere trägt eine Anzugweste, auf deren Rückseite die Titelseite der imaginären Zeitung «Jubiläumskurier» abgedruckt ist. Ihre Schuhe sind abgenutzt.

Die Kommission

Einer dieser Männer bietet für ein Skelett eines Emus, vor 2000 Franken steigt er aus. Koller sagt: «Wegen 100 Franken sollte man nicht aufhören zu bieten, er oder sie wird es ewig bereuen.» Das sagt Koller öfter.

Bei einer ausgestopften Eule sagt er zu einer Frau am Telefontisch: «Man muss immer weiterbieten, wenn man sich nicht sicher ist. Das musst du dem Bieter so sagen, sonst bereut er es. Das ist immer so.»

Das Auktionshaus bekommt 15 Prozent Kommission, da kann es sich schon lohnen, von «ewiger Reue» zu sprechen. Der Emu kommt für 2000 Franken und die Eule für 4000 Franken unter den Hammer.

Die Objekte

Neben dem T-Rex werden weitere 70 Objekte versteigert, darunter eine Jukebox für 18'000 Franken, ein Hirschgeweih für 15'500 Franken, ein Goldklumpen für 130'000 Franken. Der T-Rex ist das letzte Objekt.

Es ist wie im Kino: Erst muss man sich die Vorschauen geben, bevor man den Film bekommt – in diesem Fall: Jurassic Park!

Die Dino-Uhr

Ein Bieter fotografiert Objekt 978 und schickt es jemandem über Instagram. Ein lustiger Kommentar kommt zurück. Er schickt ein heulend-lachendes Smiley.

Es ist die Uhr UR-105M Trinity. Sie ist handbemalt und enthält Knochenmaterial eines echten T-Rex. Ein Unikat.

Der Hersteller will den Profit an das Sauriermuseum Aathal, welches das Auktionshaus beim Umgang mit dem T-Rex massgeblich unterstützt hat, spenden. Applaus!

Koller sagt: «Das geht an die Medien: Es gibt viel mehr Privatpersonen und -sammler, die Museen unterstützen, als man so gemeinhin meint. Jetzt müsst ihr aber bieten! Eine Uhr, ein T-Rex und eine gute Tat!» Die Auktion startet bei 50'000 Franken und endet bei 100'000 Franken. Der Instagram-Mann verzichtet auf die Dino-Uhr.

Die Auktion

Die meisten Gebote kommen über Telefon oder Internet. Die Stille im Saal wird von Gemurmel am Telefontisch gebrochen. Dort hängen Angestellte des Auktionshauses an Telefonen und holen Gebote rein, in allen Sprachen, eins nach dem anderen.

Irgendwann sagt Koller: «Im Saal dürfen Sie auch bieten!»

Der Klogang

Bei Objekt 942 muss die Journalistin dringend auf das WC. Sie schleicht sich aus ihrer Stuhlreihe und geht geräuschlos die Treppe hinunter. Im Eingangsbereich erfährt sie von einer Angestellten, dass es im Gebäude gar kein WC gebe und sie dafür über die Strasse zum anderen Gebäude von Koller Auktionen müsse. Uff!

Sie lässt sich vom Türsteher – ein bauchiger Mann in schwarzem T-Shirt – die Schiebetür öffnen und rennt über die Strasse, mit Schreibblock und Stift in der Hand.

Im anderen Gebäude wird die Journalistin von der Putzkraft gebeten, sich drei Minuten zu gedulden, weil die WCs gerade gereinigt würden. Als sie erklärt, dass sie gerade an der Auktion sei und ungern mehr verpassen würde als wirklich nötig, darf sie auf die Toilette.

Die Spinne

Als eine alte Schiffsfigur aus Sizilien unter den Hammer kommt, schneidet Koller plötzlich mit seiner Hand durch die leere Luft vor ihm. Eine Spinne seilt sich von der Decke ab. Er sagt: «Sie will mitbieten, die Spinne.»

Nachdem die Schiffsfigur für 30'000 Franken an einen Familienvater geht, der zuvor auch einen ausgestopften Rosalöffler gekauft hat, eilt eine Angestellte zum Auktionspult, um die Spinne zu entfernen, doch Koller sagt: «Lah sii. Lah sii. Bringt nüt!»

Die Sprache

Die Auktion wird mehrheitlich auf Deutsch abgehalten, gelegentlich wird eine Summe auch auf Französisch oder Englisch gesagt. Aber als die Auktion beim T-Rex anlangt, wechselt Koller ins Englische und deutet damit an: Jetzt schaut die ganze Welt zu!

Der T-Rex

Das Mindestgebot liegt bei 4 Millionen Franken. Eine Frau am Telefontisch hebt die Hand. Jemand am Telefon bietet bei ihr 4'200'000 Franken. Koller wiederholt das Gebot dreimal. Dann bietet jemand 200'000 Franken mehr.

Bei Koller liegt ein schriftliches Gebot für 4'500'000 Franken vor. Er wiederholt den neuen Betrag fünfmal.

Die Frau am Telefontisch hebt wieder die Hand: Ihr Kunde bietet 4'800'000 Franken. Koller sagt: «Going once, going twice, … Jemand mehr als 4'800'000 Franken? Zum Ersten, zum Zweiten und zum Dritten.»

Die Versteigerung des T-Rex dauerte keine zwei Minuten.

Der Besitzer

Der neue Besitzer ist ein Privatsammler aus Europa. Was er mit dem T-Rex «Trinity» machen will, ist unklar. Das Auktionshaus Koller hofft, dass er ausgestellt wird.

Der Disput diesbezüglich ist, dass die Objekte in der Forschung fehlen, wenn Privatpersonen an Auktionen die Museen überbieten. Das Gegenargument lautet, dass die meisten Museen auf privaten Sammlungen aufbauten, die irgendwann gespendet wurden, und man sich darum keine Sorgen machen müsse.

Nur öffentliche Institutionen als Bieter zuzulassen, kam für das Auktionshaus Koller nicht infrage. Der Pressesprecher sagt: «Wir machen öffentliche Auktionen. Nur öffentliche Institutionen zuzulassen, wäre einer privaten Auktion gleichgekommen. Ausserdem wollte der alte Besitzer das Objekt zum besten Preis verkaufen.»

Und den besten Preis bieten meistens Privatpersonen.

Der Preis

Der Pressesprecher sagt: «Klar hätten wir uns gefreut, wenn er für das Doppelte gegangen wäre.» Laut Expertinnen und Experten seien die 4,8 Millionen Franken aber ein fairer Preis. Die drei T-Rex, die vor «Trinity» versteigert worden seien, hätten die Preise in «ungesunde» Höhen getrieben. Jetzt sei man mit den Füssen wieder auf dem Boden gelandet.

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19 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Mugendai
19.04.2023 06:51registriert Januar 2017
"Wegen 100 Franken sollte man nicht aufhören zu bieten, er oder sie wird es ewig bereuen." Wenn man sich keine Obergrenze setzt und sich an diese hält, wird man es noch schneller bereuen.
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